Uelzen Alaaf?

Heute ist Fastnacht. Heute wäre Fastnacht. Wenn hier nicht Niedersachsen wäre, früheres hannoversches Königsland, altes Welfenreich, karge Landschaft, karge Sprache...

Peter, mein früherer Schulkamerad, kommt aus Celle, wohnt in Bonn. Eberhard, einer meiner ernsten Tanzstundenkonkurrenten, stammt aus Uelzen, lebt in Köln. Sie alle, die aus Niedersachsen kommen und im Rheinland leben, fliehen zu Fastnacht von dort zurück nach hier.

Sie halten ihn nicht aus, den Rummel, die Lautstärke rheinischer Frohnatur, die Vergewaltigung der Krawatten. Sie halten ihn nicht aus, den Verlust der letzten Feinheiten feiner Werbekunst des Herrn um die Dame, den Verlust der leisen Töne und des berechenbaren Umgangs. Und sie können einfach nicht viel trinken und weiter das sein, was sie zu sein versuchen.

Peter, Eberhard und wie sie alle heißen - sie fliehen zur Fastnacht nach Hause, weil sie geprägt sind vom Hannoverland. Georg - er ist aus Köln und lebt in Köln und feiert sich noch mal zu Tode in Köln - sagt über uns: „Ihr da oben auf der Landkarte? Wie wollt Ihr Fastnacht feiern? Ihr könntet nicht mal Fastnacht feiern, selbst wenn Ihr wolltet!"

Das ist maßlos übertrieben.

Denn die Schostorfer im Kreis Uelzen könnten uns ruhmreich rausreißen, aber Georg kennt sie eben nicht, die Schostorfer.

Maßlos übertrieben, weil ich sehr wohl auf einer Fastnachtsparty in einem Gasthof im Landkreis eingeladen war, in dem sehr wohl was los war: Alle fünf Tische waren voll besetzt, was ja bei uns heißt: Pro Paar ein Tisch, egal wie viele Stühle.

Alle Personen an diesen Tischen hatten eine Pappnase auf und feierten sehr viel konzentrierter Fastnacht als die Jecken in Köln. Sie vereinten nämlich ihre Blicke alle gemeinsam auf dem Fernseher oben links in der Ecke, wo in schneller Folge die Fastnacht in Aachen, in Köln, in Düsseldorf gezeigt wurde. Es war ein schöner Fastnachtabend - damals. Der einzige, den ich mitmachte, weil ich keine Pappnase tragen kann (Allergie).

Dafür weiß ich was von „Fastnacht", was in Köln Karneval heißt, ab Mainz dann Fastnacht oder noch weiter südlich und südwestlich: Fasenacht, Fassnacht, Fasinacht. Und in Bayern und Österreich Fasching. Es kann von zwei Sprachwurzeln stammen, über die sich die Linguisten streiten: Von Fasen (= zeugen) oder von faseln (= Unsinn reden). Und deshalb stehe ich zu unserer so ganz anderen niedersächsischen Fastnachtstradition: Wir zeugen nicht einfach vom Kalender diktiert mal hier und da (wie die da) - wir lieben uns tief und leidenschaftlich. Und Unsinn reden können wir bei dem kargen Sprachschatz, der uns eigen ist, schon gar nicht.

Ich mache heute übrigens einen Kompromiss. Ich fliehe zwar auch, sogar mit Tochter, aber von hier nach Süditalien, wo auch gefeiert wird. Aber alles mit Priester und das garantiert den nötigen Ernst bei der heutigen Fastnacht.

24.02.2004